Montag, 22.10.2018

Die Bedeutung der Prävention

 

Längst nicht alle Pädophilen schaffen es, angemessen mit ihren Gefühlen umzugehen. Solange sie aber Einsicht zeigen und bereit sind, ihr Verhalten zu verändern, haben sie ein Anrecht auf Hilfe. Doch nur wenige Pädophile bekommen diese Hilfe, obwohl viele sie dringend nötig hätten. Wer als Pädophiler nach einem geeigneten Therapieplatz sucht, muss mit Wartezeiten von zwei bis drei Jahren rechnen. Während dieser Zeit werden die Leute oftmals nur mit Medikamenten ruhig gestellt ‒ in der Hoffnung, das bis Therapieantritt nichts passiert. Solche Zustände sind unhaltbar!

Es gibt zu wenig professionelle Beratungsstellen, die auf das Problem der sexuellen Präferenzstörungen spezialisiert sind. Auch an gut ausgebildeten Sexualtherapeuten mangelt es. Das liegt nicht nur an den ungenügenden fachlichen Weiterbildungsmöglichkeiten, sondern auch daran, dass die Arbeit mit Tätern bzw. potentiellen Tätern vergleichsweise schlecht bezahlt wird und außerdem nicht gerade den besten Ruf besitzt. Das ist mit ein Grund, warum es präventive Therapien für Pädophile bislang noch so gut wie gar nicht gibt. Die therapeutischen Strukturen greifen in der Regel erst dann, wenn jemand straffällig geworden ist. Dann ist es jedoch ungleich schwieriger, therapeutisch noch etwas zu erreichen und Verhaltensmuster zu verändern, die sich schon über Jahre hinweg festgesetzt haben.
 

Prävention ist Opferschutz

Das öffentliche Bewusstsein für die Notwendigkeit dieser Vorsorgearbeit ist nur sehr gering ausgeprägt. Deshalb ist es auch immer noch sehr schwer, die notwendigen Fördergelder bewilligt zu bekommen, so dass noch längst nicht all das geleistet wird, was theoretisch geleistet werden könnte. Natürlich gibt es auch kritische Stimmen. Häufig hört man den Einwand, man solle das Geld lieber den Opfern zukommen lassen, denn sie hätten staatliche Hilfe viel eher verdient als ein potentieller Täter. Diese Argumentation ist emotional verständlich, gerade wenn sie aus Opferkreisen kommt. Sie ist aber kurzsichtig, denn die Verhinderung von Straftaten ist schließlich der beste Opferschutz, denn man sich überhaupt vorstellen kann! Die Therapie eines bereits straffällig gewordenen Pädophilen ist nicht nur langwieriger und teurer, sie hat auch die deutlich schlechteren Erfolgsaussichten. Hinzu kommen die Kosten für die Betreuung des Opfers, die sich ebenfalls über viele Jahre hinziehen kann. Auch Polizei und Justiz arbeiten nicht zum Nulltarif, ganz davon abgesehen, dass die Ermittlungsbehörden ohnehin schon völlig überlastet sind. Im systematischen Ausbau von Präventionsprojekten sehen wir die einzige Chance, wirklcih sowohl die Opfer- als auch die Täterzahlen zu senken. Das Strafrecht ist unverzichtbar, wird das Problem allein aber nicht lösen.

Das Ziel muss es deshalb sein, eine bundesweite Pädophilie-Vorsorge einzuführen, die auch zum Leistungskatalog der Krankenkassen dazugehört. Die Charité in Berlin mit ihrem Forschungsprojekt „Kein Täter werden“ gehört zu den ganz wenigen Anlaufstellen, die überhaupt präventive Therapien für Menschen mit pädophilen Empfindungen anbieten. Leider sind solche Hilfsangebote noch die absolute Ausnahme. Wir brauchen ein flächendeckendes Netz an qualifizierten Fachberatungsstellen; nur so können wir eine größtmögliche Zahl an pädophil empfindenden Menschen erreichen, noch bevor sie Gefahr laufen, sich an Kindern zu vergehen. Notwendig wäre mindestens eine Anlaufstelle pro Bundesland, in Flächenländern und bevölkerungsreichen Gebieten sogar mehrere. Das Projekt der Charité ist ein erster Anfang, aber das allein wird nicht reichen.

Das Ganze ist aber nicht nur eine finanzielle Frage. Damit pädophil empfindende Menschen diese Hilfe auch annehmen, muss sich auch an den gesellschaftlichen Voraussetzungen etwas ändern. Wir brauchen ein Klima, in dem sich niemand mehr wegen seiner pädophilen Ausrichtung zu schämen braucht. Die Realität sieht leider anders aus: Überall muss man sich verstecken und verleugnen. Seine Sexualität nicht leben zu können, damit kann man sich noch einigermaßen abfinden. Sie noch nicht einmal benennen zu dürfen, das ist für viele die weitaus größere Bürde. So auch für uns, NewMan und Max. Ständig seine Gefühle verbergen zu müssen, ist eine Last, unter der selbst der Stärkste irgendwann zusammenbrechen kann. Nahezu überall muss man sich verstellen. Als Pädophiler muss man einen ganz wesentlichen Teil der eigenen Persönlichkeit für sich behalten und kann ihn mit kaum jemandem teilen. Das empfinde ich persönlich als die größte Last. Wenn man offen zu seiner Pädophile stehen dürfte, dann wäre das für viele von uns schon eine ungeheuere Entlastung.
 

Die Gefahr der Verdrängung

Pädophile Menschen müssen ohne Angst über ihr Problem sprechen können, nur dann werden sie den Mut aufbringen, sich rechtzeitig Hilfe zu suchen. Ein Pädophiler, der mit Diskriminierung und Unverständnis rechnen muss, wird alles daran setzen, seine sexuelle Identität zu verheimlichen. Die Folgen können fatal sein: Anstatt bewusst an sich und seinem Problem zu arbeiten, wird er seine Gefühle für Kinder unterdrücken und verdrängen, damit keiner etwas mitbekommt. Dieses ständige Verbergen zehrt innere Kräfte auf, die man eigentlich für die konstruktive Auseinandersetzung bräuchte. Die Gefahr, dass diese krampfhaft unterdrückten Gefühle eines Tages unkontrolliert hervorbrechen, wäre unter diesen Umständen sehr viel größer.

Deshalb brauchen pädophil empfindende Menschen die Gelegenheit, über ihre Gefühle zu sprechen, denn darüber zu reden baut Druck ab, reguliert innere Spannungen und hilft, die Dinge gelassener zu ertragen. Allein das bedeutet schon eine große Entlastung und vermindert die Gefahr einer unkontrollierten Triebentladung ganz beträchtlich. Die permanente Selbstverleugnung (verbunden mit der Angst vor Entdeckung) verstärkt dagegen den inneren Druck. Man sieht also: selbst mit ganz einfachen Mitteln könnte man einen wichtigen Beitrag zum Schutz der Kinder leisten!

Aber nicht unter dem Blickwinkel des Kinderschutzes, auch um ihrer Menschenwürde willen dürfen pädophil empfindende Menschen in keiner Weise diskriminiert, beschimpft oder herabgewürdigt werden. Sie haben das Recht, in dieser Gesellschaft zu leben und geachtet zu werden wie alle anderen auch. Eine pädophile Persönlichkeit macht den Betroffenen weder besser noch schlechter und ist überhaupt kein Kriterium für die moralische Beurteilung eines Menschen. Nur dort, wo Pädophile sich tatsächlich an Kindern vergehen, müssen ihnen mit aller Deutlichkeit ihre Grenzen aufgezeigt werden, was für nicht-pädophile Täter natürlich genauso gilt. Wenn sie jedoch einsichtig sind und an sich arbeiten wollen, müssen sie nach Kräften unterstützt werden.

aktualisiert: 01.01.2012